Für den Konfirmandenunterricht gehören die Zehn Gebote einfach dazu. Schlichtes Auswendiglernen ist aber schon lange nicht mehr überall Pflicht, sondern im Vordergrund steht ein Verstehen und Anwenden dieser Regeln.
Neben schon vielen bekannten Methoden wie einer Lernstraße zur Erschließung, wie die Regeln zu verstehen sind, kann auch einmal von der anderen Seite her gefragt werden: Was davon betrifft mich überhaupt? Was passiert eigentlich, wenn ich die Zehn Gebote nicht halte?
Die Frage nach Regeln und deren Einhaltung sind gerade für Konfis ein großes Thema. Ob von allen zu besuchende Gottesdienste oder pünktliches Erscheinen im Konfi-Unterricht – es wird wahrgenommen, wenn man als Pfarrer oder Pfarrerin nicht gerecht reagiert.
Regeln und deren Einhaltung sind also nicht automatisch fremd für Jugendliche, spätestens wenn es sie selbst betrifft, verspüren sie einen großen Sinn für Gerechtigkeit. Eben dieser Begriff der Gerechtigkeit – hebräisch meint „zedaqa“ so viel wie Gemeinschaftstreue – kann einen ganz anderen Zugang zu den Geboten bieten.
Die Geschichte von Mose und den Zehn Geboten soll dabei ebenso eine Rolle spielen wie die Bedeutung der Einzelgebote und eine Erarbeitung und Umformulierung für unsere Zeit. Der Begriff der Gemeinschaftstreue steht dabei im Mittelpunkt.
Ein weiterer Aspekt, der sich aus der Gemeinschaftstreue ergibt, ist der Tun-Ergehens-Zusammenhang und das Verständnis von Strafe oder Wiedergutmachung. Ein Film, der sich für dieses Thema anbietet, ist „Sieben Leben“ (123 Minuten), in dem Will Smith als Hauptdarsteller am eigenen Leib erfährt, wie Schuld sich auswirkt, und versucht, sie wiedergutzumachen. Da der Film jedoch recht lang ist, sollten entweder gezielt Szenen ausgewählt werden oder aber der Film wird im Rahmen der letzten Einheit ganz angeschaut.
Anhand dieses Films bzw. des Themas kann deutlich werden, dass der Mensch Sünder ist. Das Bild Luthers vom guten Baum mit den schlechten Früchten ist für Konfis verständlich. Was macht einen guten Menschen aus? Dass er ein gutes Herz hat oder dass er gute Werke vollbringt?
Spiel (5 Min.)
Alle Konfis stehen im Kreis, reihum werden erst eine und später je nach Gruppengröße mindestens zwei bis vier große Rollen Klebeband in unterschiedliche Richtungen herumgegeben. Die Person, bei der zwei Rollen ankommen, ist raus. Das geht so weiter, bis nur noch zwei Personen übrig sind.
Reflexion des Spiels (10 Min.)
Die Konfis sollen zu Wort kommen, wie es ist, einfach raus zu sein bzw. sogar bewusst rausgekickt zu werden, weil natürlich jede/-r im Spiel bleiben will. Als Leitung ist es sinnvoll, nicht mitzumachen, sondern die Gruppendynamik zu beobachten. Denn es ist durchaus frustrierend, schnell rauszufliegen, und die Konfis können in kürzester Zeit einen großen Ehrgeiz entwickeln, der durchaus aggressive Züge haben kann. Für die Reflexion ist es nun wichtig, genau das zu versprachlichen:
Wie ging es euch? (stressig, aggressiv)
Ist das Spiel gerecht? (nein, voll fies!)
Was passiert mit der Gruppe, mit den Einzelnen? (Man arbeitet gegeneinander oder nur für sich oder man grenzt jemanden bewusst aus.)
Überleitung (5 Min.)
Es gibt für das Spiel keine gerechten Regeln. Wie fies das sein kann, wurde sehr deutlich. So wie im Spiel ist es unmöglich, im Alltag miteinander umzugehen. Deswegen ist es wichtig, dass es Regeln für unser Zusammenleben gibt. Im Gespräch werden nun Regeln abgefragt, die die Konfis für lebensdienlich halten. Es können gern bewusst Alltagsregeln sein! Diese Regeln können aufgeschrieben werden.
Biblische Grundlage (10 Min.)
Die Mosegeschichte wird in einem kurzen Gespräch gemeinsam mit den Konfis erinnert. Dazu werden die Grundzüge der Geschichte erfragt bzw. ergänzend erzählt (Mose im Korb, Aufwachsen in Ägypten, Konflikt mit dem Pharao, Plagen, Auszug aus Ägypten, goldenes Kalb, Zehn Gebote am Horeb). Dabei geht es nicht um eine detailgetreue Nacherzählung, sondern darum, dass den Jugendlichen der Horizont der Geschichte Gottes mit seinem Volk präsent ist. Dann werden die Kapitel Exodus 19 und 20 abwechselnd von den Konfis vorgelesen oder vom Pfarrer/der Pfarrerin frei erzählt. In die Mitte wird ein großes Plakat mit der Aufschrift „Ich bin der Herr, dein Gott“ gelegt.
Gemeinsam wird mit den Konfis erarbeitet, warum dieser Satz vor jedem Gebot stehen müsste.
Mögliche Antworten:
Ziel: Gott stellt dadurch eine Beziehung zu jedem einzelnen Menschen her. „Ich bin der Herr, dein Gott, und habe dich aus der Knechtschaft befreit.“ Die frei machende Beziehung zu Gott steht am Anfang und ermöglicht so den Menschen untereinander, sich gegenseitig frei sein zu lassen und frei zu machen.
Die Zehn Gebote (10 Min.)
Die einzelnen Gebote werden von den Konfis aus der Bibel herausgesucht, auf Plakate geschrieben und um den Satz herum gelegt. Nun folgt ein geleitetes Gespräch mit folgenden möglichen Fragen:
Was passiert bei den Israeliten, als Mose weg ist?
Wieso bauen sie sich ein goldenes Kalb?
Warum warten sie nicht auf Mose?
Denkt an das Spiel – denkt der Mensch zuerst an andere oder zuerst an sich selbst?
Was passiert, wenn es keine Regeln gibt?
Wem schadet es, wenn man Regeln verletzt?
Welche Gebote überschneiden sich mit euren Regeln?
Deutlich sollte hierbei werden, dass die Israeliten es nicht geschafft haben, gut miteinander zu leben. Am goldenen Kalb sieht man, dass es im Zusammenleben immer wieder Konflikte gibt, die sich nicht nur durch guten Vorsatz vermeiden lassen. Schon während Mose noch bei Gott ist, vertrauen die Israeliten nicht darauf, dass alles gut wird, sondern suchen ihre Sicherheit im goldenen Kalb. So kann erklärt werden, dass es immer Verletzungen unter Menschen gibt, wenn es keine Regeln gibt. Die Verletzung von Regeln bedingt Verletzungen von Menschen – die Konfis dazu erzählen lassen!
Ziel: Gebote und Regeln zu halten ist nicht leicht, und manche gelten vielleicht gar nicht für die Konfis (töten, ehebrechen …). Was passiert, wenn man Regeln bricht? Antwort: Bestrafung. Wie geht man also damit um, wenn jemand etwas stiehlt? Soll man ihn einsperren? Aber was ist, wenn derjenige stiehlt, weil er Hunger hat? Nicht jede Regelverletzung kann genau gleich bestraft werden, der Kontext spielt eine Rolle. Die gleiche Strafe für die gleiche Tat ist nicht immer gerecht.
Gerechtigkeit – Gemeinschaftstreue (10 Min.)
Mose bekommt die Zehn Gebote von Gott, um das Zusammenleben zu erleichtern. Vor jedem Gebot steht aber die Zusage: Ich bin der Herr, dein Gott! Ich sehe dich und bin für dich da! Ich begleite dich und helfe dir! Ich bin der Herr, dein Gott – du musst keine anderen Götter haben … (auf alle Gebote anwendbar). Gott ist den Menschen gegenüber treu, selbst wenn sie seine Gebote nicht halten.
Auf ein weiteres Plakat wird „GERECHT“ geschrieben und die Konfis sammeln, was gerecht für sie ist: Für alle das Gleiche? Was ist mit Noten? Wird Anstrengung bewertet? Den Konfis fällt schnell auf, dass sich nicht alles miteinander vereinbaren lässt (z. B. wenn alle das Gleiche bekommen, wird nicht nach Leistung beurteilt).
Der/Die Pfarrer/-in erläutert den biblischen Gerechtigkeitsbegriff „zedaqa“ (s. o.). Entscheidend dabei ist, dass die Beziehung im Vordergrund steht. Gott tritt in Beziehung zum Menschen, deswegen treten wir in Beziehung zueinander. Regelverletzung und darauf folgende Strafe werden betrachtet. Gerechtigkeit wird nicht durch Strafe hergestellt. Das verändert unser Zusammenleben – jede Regel dient dem Wohl der Gemeinschaft. Am Beispiel des Ehebruchs kann das verdeutlicht werden: Ein Kind bricht nicht die Ehe, sondern seine Eltern. Das Kind aber ist betroffen, sein ganzes Leben ändert sich. Ein weiteres Zusammenleben der Eltern ist nicht immer möglich, weil wir Menschen sind und immer wieder auch scheitern. Aber zu wissen, dass Gott uns sagt: „Ich bin bei dir, du sollst die Ehe nicht brechen – aber wenn es passiert, verhalte dich gerecht“ (im Sinne von gemeinschaftstreu) – das verändert etwas. Ebenso beim Gebot „Du sollst nicht töten“: Einen Mörder umzubringen macht das Opfer nicht wieder lebendig. Was wäre hier gerecht? Die Konfis haben ein feines Gespür dafür, dass Unrecht nicht durch weiteres Unrecht gut gemacht wird („Gott bestraft auch nicht jeden mit dem Tod – er vergibt, wenn wir was falsch gemacht haben“).
Als Hintergrund dazu:
„Will man alles, was die Bibel über Gott und Mensch zu sagen hat, mit einem einzigen Wort zusammenfassen, so kommt allein der Begriff der Gerechtigkeit in Frage.“[1] Der Begriff „zedaqa“ meint ein Handeln, das Gerechtigkeit herstellt, indem es in Unordnung Geratenes und somit Falsches wieder richtigstellt. Maßstab dafür ist aber nicht der Einzelne, sondern die Gemeinschaft, was ihr nützt und was ihr schadet: im Grunde die Beziehung der betroffenen Menschen. In der Exodusgeschichte offenbart sich Gott und solidarisiert sich mit seinem Volk. Er ergreift Partei für die Schwachen und deswegen sollen die Menschen sich auch so verhalten. Dazu sollen die Gebote helfen.
Das wird allerdings erst deutlich durch das höchste Gebot, das Christus uns gibt: Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst! Gerechtigkeit Gottes äußert sich nun darin, dass nicht – wie im fiesesten Spiel der Welt – eine Regel auf jeden angewandt wird, sondern dass der Mensch zuerst individuell mit seinem Versagen wahrgenommen wird und so eine neue Möglichkeit bekommt, jedes Gebot umzusetzen, weil er nicht mehr daran gemessen wird.
Gemeinsam werden nun die Zehn Gebote gelesen und für jedes einzelne wird eine neue Formulierung gesucht. Ein neues Plakat wird erstellt und neben das andere gelegt oder das alte mit einer neuen Farbe ergänzt.
Die Einheit kann auch nach diesem Schritt enden. Über das Gespräch, wie man geschehenes Unrecht wiedergutmachen kann (am Beispiel eines verursachten Autounfalls mit Todesfolge – du sollst nicht töten), lässt sich aber gut zum Film überleiten. Die Frage nach Regelverletzung, Kontext und Wiedergutmachung holt die Konfis sehr genau in ihrer Welt ab. Es gibt schnell zwei Gruppen – eine, die für „Auge um Auge“ bei Verbrechen ist, und eine andere, die sieht, dass das Unrecht dann bestehen bleibt.
Im Film geht es darum, dass die Hauptperson (gespielt von Will Smith) versucht, einen Fehler wiedergutzumachen. Bei einem von ihm verursachten Autounfall hat er seine Frau verloren und sechs weitere Menschen getötet. Als er seinem Bruder einen Lungenflügel spendet, verändert sich etwas bei ihm und er entschließt sich, sieben Menschen zu finden, denen er durch seinen Tod ein neues Leben ermöglichen kann.
Zum Einstieg kann man den Trailer des Films zeigen.
Der Satz „In sieben Tagen erschuf Gott die Welt und in sieben Sekunden zerstörte ich meine“ liegt – auf ein Plakat geschrieben – in der Mitte oder wird über Beamer an die Wand projiziert. Wenn die Möglichkeit besteht, den Film komplett anzuschauen, ist das an dieser Stelle sinnvoll; andernfalls sollten die einige wichtige Szenen ausgewählt werden. Die Konfis erhalten dazu Beobachtungsaufträge:
Welches Gebot ist betroffen?
Kommt Gerechtigkeit als Thema vor?
Die Hauptperson opfert sich selbst, um den von ihm verschuldeten Tod von Menschen an anderen Menschen wiedergutzumachen. Was meint ihr: Kann das funktionieren?
Welche Handlungsoptionen hätte die Hauptperson noch?
Welche Rolle spielt Vergebung? Wer könnte wem vergeben?
Welche Alternativen siehst du?
Die Antworten werden gesammelt und münden in ein relativ offenes Gespräch. Es geht dabei darum, zu entdecken, dass Menschen Fehler machen. Die Frage ist, ob man Gleiches mit Gleichem vergelten muss, oder ob Entschuldigen und Vergeben eine Option ist.
Kein Leben ist mehr wert als ein anderes. Gemeinschaftstreu zu sein bedeutet auch, die Fehler der anderen mitzutragen.
So rührend der Film an manchen Stellen ist, so problematisch muss die Selbstopferung gesehen werden. Parallelen zur Kreuzigung können je nach Gruppe in den Raum gestellt werden.
Wird der Film komplett geschaut, eignet sich als Thema in der nächsten Konfi-Stunde: „Leben, Tod und Auferstehung“. Anhand des Themas Organspende besteht so die Möglichkeit, über Krankheit, Verlust und Trauer zu reden. Auch Hoffnungsbilder, ein Leben nach dem Tod und ewiges Leben (Organspende) werden in dem Film vorgelegt. Man kann dann sehr gut christliche Rituale und die Verabschiedungs- und Erinnerungskultur bei Beerdigungen besprechen. Schön wäre ein Abschluss auf dem Friedhof, um die Verknüpfung zur Geschichte einzelner Menschen herzustellen, wie es in dem Film passiert.
[1] (Frank Crüsemann, Rettung und Selbstverantwortung, in: Frank Crüsemann (Hg.), Maßstab: Tora. Israels Weisung für christliche Ethik, Gütersloh 2003, S. 52.
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