Zu diesem Beitrag gibt es einen inhaltlich passenden Baustein: „Am Seil erfahren, getragen zu sein“ von Janis Fels.
Der vorliegende Beitrag kann hier als pdf heruntergeladen werden.
Ich arbeite seit über 20 Jahren hauptamtlich in der evang. Kinder- und Jugendarbeit, seit 2012 als Bezirksjugendreferentin. Nach einem Erlebnispädagogik-Seminar während des Studiums und meiner Diplomarbeit zum Thema „Wenn das Erlebnis zur Verkündigung wird: Erlebnispädagogik im Konfirmandenunterricht“ habe ich mich entschlossen, mein Wissen in diesem Bereich zu vertiefen, und 2013/14 die Weiterbildung zur „Natursport- und Erlebnispädagogin im christlichen Kontext“ bei ZIP in Karlsruhe absolviert. Diese Weiterbildung enthielt u. a. Grundlagenwissen zum Klettern in der Halle und am Felsen, Toprope und Vorstieg, Sicherheitsaspekte beim Klettern sowie mobile Seilaufbauten. Zurzeit setze ich dieses Wissen v. a. auf Jugendfreizeiten ein und bei Kletterangeboten für Konfis und ältere Jugendliche in der DAV-Halle Baden-Baden sowie im Klettergebiet „Heidekopf“ im Elsass.
Sicherheitsaspekte
Klettern ist eine (lebensgefährliche) Risikosportart, das muss jedem Mitarbeitenden bewusst sein, der eine Kletteraktion mit Konfis durchführen möchte. Ich habe selbst einen Bekannten, der aufgrund eines Sicherungsfehlers in der Kletterhalle abgestürzt ist – zum Glück nicht tödlich.
Grundsätzlich kann jede*r einen Klettertag durchführen – solange jemand das Einweisen, Erklären und Sichern übernimmt, der dafür eine Ausbildung gemacht hat (z. B. Toprope-Kurs oder Klettertrainer). Diese Kurse kann man in vielen Kletterhallen machen. Zur Sicherheit aller sollte also entweder eine ausgebildete Person in der Hauptverantwortung sein oder eine Kooperation mit der Kletterhalle bestehen und dortiges ausgebildetes Personal dazugebucht werden.
Die Aussage „Wir haben erfahrene Kletterer dabei“ ist zu schwammig. Denn wer beurteilt die Erfahrung eines „erfahrenen Kletterers“ und ob diese ausreicht? Falls es zu einem Unfall kommt, muss nachgewiesen werden können, dass jemand überprüfbare Kompetenzen in diesem Bereich hat. Und als hauptverantwortliche Person will ich mir im Falle eines Unfalls zu allem anderen Schrecklichen auf keinen Fall auch noch Fahrlässigkeit vorwerfen lassen müssen!
Es ist möglich, dass sich Jugendliche gegenseitig sichern, z. B. in einer sogenannten Hintersicherungskette bzw. 2er- und 3er-Sicherungskette. Das kann ein tolles Gruppenerlebnis sein – aber es muss eine Person dabei sein, die 100-prozentig sicher überprüfen kann, ob alles richtig gemacht wird! Wenn während der Aktion Klettergurte an- und ausgezogen werden (z. B. beim Gang auf die Toilette), muss jedes Mal der richtige Sitz des Gurtes erneut überprüft werden. Da kann man doch nichts falsch machen? Doch, das habe ich alles schon erlebt. Auch sogenannte „Sicherungsgeräte“ (z. B. Grigri und Tube) sind keine „Selbstläufer“. Auch hier können ohne genaue Kenntnis Fehler passieren. „Das schwächste Glied in der Sicherungskette ist die oder der Sichernde. Die Unfallanalyse zeigt: Ursache Nummer eins ist menschliches Fehlverhalten und nicht das Sicherungsgerät.“ (Quelle: Deutscher Alpenverein)
Inhaltliche Aspekte
Klettern ist keine Mutprobe! Eine Kletteraktion ist nicht dann erfolgreich, wenn alle „ganz oben“ waren. Es kann genauso mutig sein, die 5-m-Wand zu erklimmen, wie nach 3 m zu sagen: „Gut, das reicht mir, ich möchte wieder runter.“ Und nicht nur, wer ganz oben ankommt, hat Erfolg, sondern auch, wer sich überwindet und 1 m hochklettert, wer verlässlich beim Sichern hilft oder wer zu seinen Grenzen steht, diese ausspricht und sich gar nicht an die Wand wagt. Das sollte bei der Einführung zur Aktion unbedingt benannt werden! Es geht darum, freiwillig die Komfortzone zu verlassen, in die Lernzone einzutreten und neue Erfahrungen zu machen. Aber Achtung: Das geschieht nicht durch Überreden oder Gruppendruck! Die Panikzone sollte unbedingt vermieden werden.
Kletteraktionen bieten mehrere Möglichkeiten für Lernimpulse/Transfermöglichkeiten:
Vertrauen in mich
Die Jugendlichen erleben im Idealfall beim Klettern, dass sie etwas schaffen, was sie sich vorher nicht zugetraut haben (z. B. bis zu einer bestimmten selbstgewählten Höhe zu klettern oder verlässlich zu sichern). Und sie erleben, bei sich selbst zu bleiben und die eigenen Grenzen zu akzeptieren bzw. zu kommunizieren (z. B. indem sie sich nicht zu einer Kletterhöhe überreden lassen, die sie nicht wollen).
Impulsfragen zur Vertiefung können hier z. B. sein:
Wie ging es dir beim Klettern / beim Sichern? Hast du heute etwas Neues erlebt?
Hast du heute etwas erlebt, das du dir vorher nicht zugetraut hast?
Wie ging es dir damit, dein Leben anderen anzuvertrauen?
Wie ging es dir damit, als Sichernde*r Verantwortung für ein Menschenleben zu übernehmen?
Vertrauen in andere
Die Jugendlichen erleben im Idealfall beim Klettern, dass sie sich auf andere Menschen (in diesem Fall die Sichernden) verlassen können und sie in schwierigen und gefährlichen Situationen gehalten werden.
Impulsfragen zur Vertiefung können hier z. B. sein:
Wie ging es dir damit, dein Leben anderen anzuvertrauen?
Warum konntest du dich auf die Sichernden verlassen?
Was brauchst du, um dich auf andere Menschen verlassen zu können?
Auf welche Menschen verlässt du dich im Alltag?
Welche Eigenschaften haben diese Menschen?
Vertrauen in Gott
Die Erlebnisse beim Klettern und die verwendeten Materialien bieten Übertragungsmöglichkeiten auf den christlichen Glauben und auf Gott.
Impulsgedanken für ein Gespräch können z. B. sein:
Welche Erfahrungen hast du beim Klettern gemacht? Lassen sie sich auf den Glauben übertragen?
[In der Mitte werden Ausrüstungsgegenstände ausgelegt wie z. B. Kletterhelm, Seil, Karabiner, Klettergurt usw.] -> Die ausliegenden Materialien sind „Lebensretter“, das Material ist nicht immer bequem, aber notwendig – auch der Glaube ist ein „Lebensretter“ und nicht immer bequem.
Du kommst weiter, weil du gesichert bist. -> Zuversicht im Glauben
Beim Klettern können Menschen, die unten stehen, Hilfestellung und Wegweisung geben. -> Gott und auch andere Menschen haben einen anderen Blick auf mein Leben und können Ratgeber sein.
Gott als der „Sichernde“ verhindert den totalen Absturz. Er zeigt mir nicht unbedingt jeden einzelnen Schritt oder zwingt mir etwas auf. Aber er fängt mich auf und lässt mich neu anfangen.
Es gibt nicht „den einen“ Weg über die Kletterwand. Genauso wenig gibt es „den einen“ Weg für mein Leben: Gott gibt mir im Leben eine Richtung vor. Trotzdem bleibt für mich immer noch Spielraum, um an bestimmten Stellen zur Seite auszuweichen und danach wieder die eigentliche Richtung einzuschlagen.
Am liebsten behalte ich die Dinge selbst in der Hand. Manchmal muss ich aber loslassen und mich in Gottes Hand geben. -> genauso wie beim Abgelassenwerden an der Kletterwand.
In dem Wissen, dass Gott mich immer hält, kann ich mich auf besondere Wagnisse einlassen.
Wenn man sich auf den Weg mit Gott macht, sollte man sich die geeignete Ausrüstung mitnehmen. Welche kann das sein? -> Jugendgruppe, Bibel, Gebet, geistliche Gemeinschaft