Ängste, Vorurteile und Unsicherheiten werden am besten durch persönliche Begegnungen abgebaut. Diese steht im Zentrum dieses Bausteins, der viel Raum für Fragen, Gespräche und Kontakte zwischen Konfis und Geflüchteten bietet.
Ein Baustein von Thomas Ebinger und Johannes Neudeck
Bild: Markus Spiske/unsplash.com
1. Schritt: Da fühle ich mich zu Hause – so sieht das Zuhause von Migranten aus (30 Min.)
Die Konfirmandengruppe sitzt im Kreis. Um sie herum oder im Nebenraum sind schon die Guckkisten aufgebaut. In die Mitte wird ein großes Haus gestellt, das man z. B. aus Umzugskartons basteln kann. Auf dieses Haus werden Bilder mit Häusern aus dem eigenen Ort oder aus Deutschland geklebt.
Jede/-r von uns lebt in einem Haus. Die Höhlen haben wir zum Glück schon lange hinter uns gelassen. Wo man wohnt und lebt, hat viel damit zu tun, ob man sich zu Hause fühlt, ob es ein Heimatgefühl gibt. Ich bitte jede/-n von euch, in mindestens drei Stichworten auf je eine grüne Karte zu schreiben, was ihr mit Heimat und Zuhause verbindet. Was gehört unbedingt zur Heimat, zum Zuhause dazu? Welche Gegenstände geben euch ein Heimatgefühl? Was darf nicht fehlen?
Anschließend werden die Karten vorgelesen und an das Haus geheftet.
Bestimmt sind einige von euch schon mal umgezogen. Etwas ganz anderes ist es aber, wenn Menschen vor Krieg und Gewalt flüchten müssen und keine Chance mehr haben, in ihrer Heimat weiterzuleben. Wir haben euch in den Guckkisten einige Bilder vorbereitet, wie das Zuhause von Geflüchteten aussieht bzw. aussah. Einige Bilder zeigen auch ihren Weg zu uns. Schreibt bitte auf die gelben Karten mindestens drei Gefühle, die diese Bilder bei euch auslösen.
Nach einem Rundgang – am besten mit passender Hintergrundmusik aus einem Herkunftsland von Geflüchteten – werden die gelben Karten ebenfalls vorgelesen und auf den Boden um das Haus herum gelegt. Ein kurzes Auswertungsgespräch schließt sich an.
2. Schritt: Impulsvideos und Formulierung von Fragen (30 Min.)
Es wird eines der Videos gezeigt, die extra für diesen Baustein gedreht wurden. Sie zeigen je ein Interview mit einem Geflüchteten (Interviewfragen siehe Kasten). Anschließend können Eindrücke geteilt und Fragen zum Film geklärt werden.
Der Infotext M2 kann in Ausschnitten vorgelesen oder von der Leitung mündlich zusammengefasst werden.
In Gruppen von 3–4 Personen überlegen sich die Konfis eigene Fragen, die sie den Flüchtlingen stellen wollen, wenn sie ihnen begegnen. Dabei können auch Fragen aus dem Film aufgegriffen werden. Die Fragen dienen als Stichwortgeber für ein Gespräch in Kleingruppen bei der Begegnung mit den Flüchtlingen.
Das Bett: Gehört zur Heimat dazu. (Bild: Thomas Ebinger & Team)
Interviewfragen
Hallo N. N., vielen Dank, dass wir dir ein paar Fragen stellen dürfen. Wenn du eine Frage nicht beantworten willst, weil sie zu persönlich ist, ist das überhaupt kein Problem. Erzähle uns bitte zuerst einmal, woher du kommst.
Wie ist deine Familiensituation? Hast du eine Frau (einen Mann), hast du Kinder?
Wie sieht es heute in deiner Heimat aus? Weißt du, was aus dem Haus geworden ist, in dem du gewohnt hast? Hast du Kontakt zu deinen Verwandten oder Freunden in deiner Heimat?
Willst du etwas erzählen von deinem Weg nach Deutschland? Wie bist du hierher gekommen? Welche Stationen hattet ihr unterwegs? Kannst du dich noch an Länder erinnern, die du durchquert hast? Wo war es schwierig oder gefährlich – wenn du uns das erzählen willst?
Welche Erfahrungen hast du bisher in Deutschland gemacht? Wie findest du die Menschen hier? Hast du Freunde gefunden? Wo siehst du Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Kultur?
Das Interview ist für Konfirmandinnen und Konfirmanden, also junge Christen gedacht. Kannst du etwas über deine Religion erzählen? Wie versucht man bei euch, den Glauben bzw. die Religion jungen Menschen (13/14 Jahre) nahezubringen?
Willst du sonst noch etwas erzählen?
3. Schritt: Begegnung (90–120 Min.)
Idealerweise knüpft man an bereits bestehende Kontakte und Erfahrungen an und bindet Personen ein, die bereits in der Arbeit mit Geflüchteten aktiv sind. Diese Personen verfügen über das notwendige Vertrauen, das die Basis ist für eine solche Begegnung. Vielleicht gibt es auch bereits bestehende Kontakte zu Klassenkameraden oder aus dem Sportverein.
Sind solche Voraussetzungen nicht gegeben, ist ein offenes Vorgespräch bei einer Tasse Kaffee mit einigen der Geflüchteten notwendig, bei dem das Anliegen vorgestellt wird und erklärt, was Konfirmandinnen/Konfirmanden sind.
Viele Geflüchtete stammen aus Kulturen, in denen Gastfreundschaft und großzügige Bewirtung einen hohen Stellenwert haben. Am leichtesten fällt eine Begegnung, wenn man gemeinsam am Tisch sitzt und miteinander isst und redet. Die Konfis und die Gäste bringen einfache landestypische Süßigkeiten und Kuchen mit und teilen dies auf einem Büffet miteinander. Der Austausch über die Zutaten und Zubereitung der Speisen führt dann leicht ins Gespräch. Im Hintergrund kann Musik der Gäste laufen.
Wenn die deutschen Sprachkenntnisse der Gäste noch sehr begrenzt sind, lohnt es sich, im Vorfeld zusätzlich sprachkundige Übersetzer anzusprechen und einzuladen.
Bei der Sitzordnung sollte man auf eine gute Mischung achten. Man kann z. B. Karten mit „K“ für Konfi und „G“ für Gast (M3) auslegen oder die Konfis als Gastgeber an den Tischen platzieren, bevor die Gäste Platz nehmen.
Bei einer kurzen Vorstellungsrunde nennt jeder seinen Namen und sein Lieblingsessen, das ja immer auch etwas mit Heimatgefühlen zu tun hat. Nach einer Zeit des offenen Gesprächs werden Kleingruppen gebildet, in denen die Konfis die vorbereiteten Fragen stellen.
Einfühlungsspiel
Zurück in großer Runde wird reihum jeder Person eine Frage laut gestellt. Sie muss diese beantworten, indem sie eine ihrer Karten, auf denen Ja oder Nein steht (M4), verdeckt vor sich legt. Die anderen müssen einschätzen, wie diese Person die Frage beantworten wird, und ebenso die entsprechende Karte wählen. Anschließend wird das Geheimnis gelüftet. Die befragte Person kann ihre Antwort kurz erläutern. Wichtig ist der Hinweis, dass es bei der Antwort auch um eine Tendenz gehen kann.
Eigentlich geht es bei dem Spiel um Empathie, aber es kann den Reiz erhöhen, nebenher die Punkte mitzuzählen. Die Fragen dienen nur als Anregung und können von der Leitung vorbereitet oder spontan ergänzt werden. Bei vielen Antworten bietet sich eine Nachfrage an, um die Entscheidung der befragten Person besser zu verstehen, z. B. zu Frage 1 für Konfis: In welches Land würdest du gern gehen? Warum hast du keine Lust, ins Ausland zu gehen?
Fragen für die Konfis
1. Willst du nach der Schule ein Jahr im Ausland verbringen?
2. Fühlst du dich in der Kirche zu Hause?
3. Sollte Deutschland großzügig Flüchtlinge aufnehmen?
4. Isst du gerne Döner?
5. Hast du schon einmal einen Koran in der Hand gehabt?
6. Gibt es ein Land außer Deutschland, in dem du dir ein dauerhaftes Leben vorstellen könntest?
7. Hast du schon einmal eine komplette Sure (Kapitel) aus dem Koran gelesen?
8. Gibt es eine Fremdsprache, in der du dich ohne Probleme unterhalten kannst?
9. Findest du „Heimat” einen altmodischen Begriff, der heute keine Bedeutung mehr hat?
10. Hast du schon einmal in Deutschland eine Moschee besucht?
11.Interessieren dich Nachrichten aus der Politik zum Thema Flüchtlinge?
Fragen für die Gäste
1. Hast du dich in Deutschland willkommen gefühlt?
2. Willst du in dein Heimatland zurückkehren, wenn es dort wieder sicher ist?
3. Schmeckt dir deutsches Essen?
4. Fühlst du dich in deiner jetzigen Wohnung oder Unterkunft wohl?
5. Hältst du dich streng an die Vorschriften deiner Religion?
6. Hast du schon einmal ein Kapitel aus der Bibel gelesen?
7. Hast du in Deutschland schon Freunde gefunden?
8. Schickst du Verwandten aus deiner Heimat Geld, um sie zu unterstützen?
9. Fällt es dir schwer, die deutsche Sprache zu lernen?
10. Warst du in Deutschland schon einmal in einem Gottesdienst?
11. Verfolgst du deutsche Nachrichten über Politik?
Es schließt sich ein Austausch an, in dem folgende Fragen aufgegriffen werden: Was braucht man für ein glückliches Leben? Welche Rolle spielt dabei Heimat?
4. Schritt: Auswertung und Vertiefung (30 Min.)
In der folgenden Konfi-Stunde oder nach Verabschiedung der Gäste sollte die Begegnung noch einmal Thema sein. Wie sind die Gespräche gelaufen? Welche Beobachtungen haben die Konfis gemacht? Welche Fragen sind offen geblieben?
Eine gemeinsame Lektüre des Gleichnisses vom Weltgericht (Mt 25,31-46) zeigt den Auftrag an Christen, Fremde aufzunehmen und ihnen zu helfen. Der wichtigste Satz lautet: Ich war ein Fremder, und ihr habt mich als Gast aufgenommen. (V. 35c, BasisBibel)
Hebräer 13,14 (BasisBibel) zeigt, dass die irdische Heimat für Christen nicht das Wesentliche ist: Denn wir haben hier keine Stadt, die bestehen bleibt. Sondern wir suchen nach der zukünftigen Stadt. Die wahre Heimat von Christen ist im Himmel, wo jeder ein Bürgerrecht hat, das ihm nicht genommen werden kann (Phil 3,20).
Anschließend können Ideen besprochen werden, wie man das in die Tat umsetzen kann.
Was können wir tun, damit Geflüchtete sich bei uns zu Hause fühlen? Was hat das mit unserem Glück zu tun, eine Heimat zu haben?
Zur Vertiefung können die Konfis ein Gedicht zum Thema Heimat und Glück schreiben (Anleitung siehe M5). Dafür ist es hilfreich, die Aussagen auf dem Haus aus Schritt 1 noch einmal in Erinnerung zu rufen.
Weitere Möglichkeiten der Vertiefung:
Planung einer weiteren Begegnung, z. B. mit sportlichem Hintergrund, ein gemeinsamer Ausflug, Kinobesuch o. ä.
Start eines konkreten Hilfsprojekts (z. B. Weihnachtsgeschenke im Schuhkarton)
Einladung von Geflüchteten zu Gemeindegruppen und -veranstaltungen
Einladung einer Person, die von einem Einsatz im Ausland (Freiwilligendienst, Friedensdienst) berichten kann. Vorbildhaft sind hier besonders junge Menschen, die nach ihrem Schulabschluss Zeit bei einem Projekteinsatz im Ausland verbracht haben.
Erfahrungen bei der Erprobung
Die Konfis in Plieningen-Hohenheim hatten bei der Erprobung des Bausteins großes Interesse am Thema. Die filmische Fluchtgeschichte hat sie sehr beeindruckt und dabei geholfen, Fragen zu formulieren, die dann bei der Begegnung mit Geflüchteten gestellt wurden.
Das freie Gespräch bei deutschen und syrischen Süßigkeiten kam erst nicht so gut in Gang. Auf jeden Fall ist es wichtig, hier ausreichend Moderatoren dabei zu haben, die helfen, die anfängliche Unsicherheit im Gespräch zu überwinden.
Schön war, dass auch eine Frau und ein kleines Kind dabei waren, das hat die Atmosphäre sehr aufgelockert. Ein echtes Highlight war das Empathiespiel, bei dem es viele Übereinstimmungen, aber auch überraschende Antworten gab.
Die Konfis lernen den Wert von Heimat und Zuhause schätzen. Sie werden sensibilisiert für die Anliegen von Geflüchteten in Deutschland und anderen Menschen in Not. Sie werden interkulturell sprachfähig und überlegen, wo sie konkret helfen können.
Der Baustein ist auf zwei Konfi-Nachmittage angelegt. Die Begegnung kann auch gut an einem Konfi-Samstag oder an einem Abendtermin stattfinden, an dem die Flüchtlinge meist eher Zeit haben. Der ganze Baustein eignet sich ebenfalls gut für einen längeren Konfi-Tag.
Taufe, Kirche und Konfirmation hängen eng mit dem Thema Heimat zusammen. Das ist Konfirmandinnen und Konfirmanden aber meist nicht bewusst, wenn sie noch keinen Umzug hinter sich haben, der allerdings in einer mobilen Gesellschaft immer häufiger wird.
Anders sieht es bei Flüchtlingen aus. Ihr Leben ist geprägt von einer Fremdheitserfahrung und erfordert große sprachliche und kulturelle Anpassungsleistungen.
Durch Migration ändert sich aber nicht nur das Umfeld der Migrantinnen und Migranten, es ändert sich auch die Gesellschaft, die die Flüchtlinge aufnimmt und hoffentlich im Geist christlicher Nächsten- und Fremdenliebe mit ihnen umgeht. Da ist einerseits Neugier und Interesse. Es entstehen aber auch Ängste und Sorgen, die sich am besten durch direkte Begegnung bearbeiten lassen.
Deshalb empfehlen wir, im Rahmen dieses Bausteins möglichst viel Raum zu geben für Begegnung und Gespräche mit Geflüchteten. Diese Begegnung wird mit den Konfis gründlich vorbereitet, sodass sie sensibilisiert sind für die Lebenswirklichkeit der Geflüchteten.
Eine Begegnung mit Flüchtlingen ist oft auch eine Begegnung mit einer anderen Religion, häufig mit dem Islam. Durch interreligiöse Bildung wird jede/-r Einzelne herausgefordert, sich nicht einfach ohne weiteres Nachdenken auf Selbstverständlichkeiten zurückzuziehen. Stattdessen ist es nötig, durch Nachfragen und Vergleichen herauszubekommen, was die Stärken und Schwächen der jeweiligen Religion sind, und zu prüfen, welche die größere Überzeugungskraft besitzt. Gut christlich dürfen wir dabei darauf vertrauen, dass die Wahrheit sich auf lange Sicht durchsetzen und erschließen wird, ohne dass wir mit Gewalt und unfairen Mitteln nachhelfen müssten.
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