„Im Alten Testament wurden Gottes Versprechen, seine Geschichten und Gebote innerhalb der Familie weitergegeben. Von einer Generation an die nächste. Glaube wurde nicht in Gruppenstunden unterrichtet, sondern war mit dem Alltag verwoben. Die Keimzelle, das Herzstück der religiösen Erziehung, war die Familie. Und im Mittelpunkt befand sich ein großer Esstisch.“ (S. 24)
Davon ausgehend entwirft Anne Gorges ihr Konzept, wie das Kirchenjahr in der Familie wiederentdeckt und gefeiert werden kann. Sie kommt von ihrer persönlichen Erfahrung als Mutter dreier kleiner Kinder her, wo so häufig Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Deshalb sucht sie eine einfache Form, die sich leicht und ohne großen Aufwand umsetzen lässt – und die geeignet ist, sich zu einer Tradition innerhalb der Familie zu entwickeln. So sollen im Wiederkehren und Feiern der kirchlichen Feste im Jahreskreis Kinder und Erwachsene, Kleinfamilie sowie Verwandte und Nachbarn dem Geheimnis des christlichen Botschaft näher kommen.
Anne Gorges, Jahrgang 1988, hat in Bad Liebenzell Gemeindepädagogik und „Culture and Theology“ studiert. Die Aktionen hat sie mit ihrer Familie ausprobiert und lässt die Lesenden daran teilhaben – auch an frustrierenden Erfahrungen.
In einem ersten Teil thematisiert Gorges, warum Feiern grundlegend zum Leben und Glauben dazugehören. Im zweiten, umfangreicheren Teil geht sie am Kirchenjahr entlang, von Advent bis Ewigkeitssonntag. Sie orientiert sich am evangelischen Kirchenjahr, lässt aber auch die Feste, die in Kindergarten und Schule aufgenommen werden wie Nikolaus und St. Martin, nicht aus. In jedem Abschnitt wird zunächst erklärt, worum es bei diesem Fest geht, Bräuche und Traditionen werden benannt. Dann folgen konkrete Anregungen, was am jeweiligen Fest aus der „Festtagskiste“ zu holen und aufzubauen ist. Mit einem weiteren Abschnitt zum Nach- und Weiterdenken werden die Erwachsenen und gegebenenfalls auch größere Kinder angeregt, sich mit ihrem eigenen Glauben und Vorstellungen auseinanderzusetzen.
Es ist ein Buch für die Familie; die Vorschläge bauen auf einem gleichbleibenden Ritual auf – auf einer Festtagskiste und einem gestalteten Tisch – und leben von der Wiederholung. Denkbar wäre auch, diese Kiste im Religionsunterricht an der Grundschule, im Kindergarten oder im Kindergottesdienst einzusetzen. Für unregelmäßige Gruppen, auch für Konfi 3, der sich über keine so lange Zeit erstreckt, sind die Anregungen weniger geeignet. Doch als Geschenk zur Taufe/Tauferinnerung an Familien ist dieses Buch eine Schatztruhe voller guter Anregungen, sehr ermutigend, nicht überfordernd.
Denn, so ist Gorges überzeugt, der Glaube muss gefeiert werden, mit allen guten und schweren Erfahrungen. So schreibt sie zu Ostern:
„Egal ob Osternacht oder Osterfrühstück, Osterfeuer oder Eiersuchen, mit alten oder mit neuen Liedern, beim Sitzen oder Tanzen, das ist der Tag zum Feiern! Wir sollten uns in unsere Lieblingskleider schmeißen, einander umarmen und um die Wette strahlen.
Auferstanden! Das ist die Nachricht, die alles verändert.
Daheim zünden wir unsere Osterkerzen an, gestalten die letzte Station auf unserem Ostertisch und erzählen einander wieder und wieder, wie Jesus am dritten Tag auferstanden ist. So lange, bis wir es glauben können. Und dann drehen wir die Musik noch ein bisschen lauter und tanzen durch unser Wohnzimmer.“
Anne Gorges, Wir feiern uns durchs Jahr. Als Familie das Kirchenjahr entdecken.
Neukirchener Verlag, Neukirchen 2022, 208 Seiten, 18,00 EUR