Biblische Verse aus dem Kontext reißen – was in der Theologie zurecht verpönt ist, ist bei diesem schön gestalteten Impulskarten-Set bewusst Programm. Die Autor:innen nehmen Verse aus der Bibel und versehen sie auf der Vorderseite einer Karte mit falschen Angaben zu deren Urheber:in. Das sieht dann etwa so aus:
„Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ – Corona, ein Virus
„Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“ – Bild. Deutschlands auflagenstärkste Tageszeitung
„Heute dürft ihr wählen: Ob ihr den Segen oder den Fluch wollt!“ – Vladmimir Putin, russischer Präsident
„Zieh deine Schuhe von deinen Füßen, denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!“ – Deine Mutter
Dreht man die Karte dann um, so steht dort die korrekte Angabe der Bibelstelle sowie ein kurzer Text, der manchmal eine konkrete Kontextualisierung des Bibelverses bietet, immer aber weiterführende Gedanken und Fragestellungen, die ein Gespräch anregen oder bereichern können.
Bibeltexte, die Jugendlichen fremd oder unbekannt sind, werden auf eine amüsante Weise eingeführt und dienen als Gesprächsimpuls. Oftmals provozierende oder irritierende Vers-Urheber:innen-Kombinationen sind gewollt. Die Karten können als Einstieg in eine Konfi- oder Schulstunde, aber auch im Kontext von Predigten, Andachten oder Bibelarbeiten gut verwendet werden.
Die Autor:innen nennen als Alter der Zielgruppe „ab 15 Jahren“. Im Allgemeinen trifft dies auch zu, für einige Karten sind Konfis zu jung, sie werden die neuen Kontextualisierungen der Bibelverse nicht verstehen. Doch viele Karten sind auch für die Konfi-Arbeit als Medien durchaus geeignet.
Bei jedem Einsatz, egal ob mit Konfis, jungen Erwachsenen oder dem Kirchengemeinderat, ist jedoch eine auf die jeweilige Gruppe abgestimmte Auswahl der Karten unbedingt zu empfehlen. Denn auch vor derben Dekontextualisierungen schrecken die Autor:innen nicht zurück, wie etwa in diesem Beispiel: „Da wurde sie von der Begierde nach ihren Liebhabern erfasst, deren Glied wie das Glied eines Esels und deren Erguss wie der Erguss eines Hengstes war.“ – Penispumpenshop24, Spam-Mail. Auf der Rückseite wird aber genau diese Sprache aufgegriffen, wenn die Autor:innen fragen: „Darf man darüber lachen? Geht das zu weit? Was denkst du dazu? Darf man das mit der Bibel machen?“ Hier müssen persönliche Entscheidungen getroffen werden, wie und ob solche Karten überhaupt genutzt werden oder ob sie gleich auf das persönliche Abstellgleis wandern.
„Vielleicht stellt ihr euch die Frage: Darf man so mit der Bibel umgehen? Herzlichen Glückwunsch! Dann seid ihr mitten drin im Nachdenken […].“ So schreiben die Verfasser:innen selbst über ihre Impulskarten. Und in der Tat: „Sollte Gott gesagt haben …“ ist meines Erachtens ein lohnenswertes und kreatives Kartenset. Gerade wenn man diese Metaebene in die Gespräche, die sich aufgrund der Dekontextualisierungen entflechten, mit aufnimmt.
Die Anwendungsmöglichkeiten sind enorm vielfältig, und wer die Karten zur Seite legt, die ihm oder ihr „zu derb“ sind, wird sicherlich viel Freude haben und kann mit diesen Impulskarten den persönlichen Methodenkoffer erweitern.
Eine kleine Leseprobe gibt es hier.
Liebmann, Tobi; Senner, Patrick u.a.: Sollte Gott gesagt haben …: Sprüche 08,15 – Bibelverse neu zugeordnet.
buch+musik ejw-service gmbh, Stuttgart 2022, 54 Karten, 13 €